Stadtklimaanalyse 2020

Was sind die Ergebnisse der Stadtklima­analyse?

Zu heiß, zu stickig, schlechte Luft: Welche Stadtgebiete in Mannheim sind besonders stark belastet? Welche wirken sich günstig auf das Stadtklima aus? Wie können die klimatischen Verhältnisse im aktuellen Baubestand und für die Zukunft verbessert werden? Aus der Stadtklimaanalyse wird die Planungshinweiskarte entwickelt. Sie bewertet das Klima des gesamten Stadtgebiets und ist in Ausgleichs- und Wirkungsräume unterteilt, für die es jeweils separate Steckbriefe gibt. Daraus werden konkrete Maßnahmenempfehlungen für die Planung abgeleitet. Der Mannheimer Ausschuss für Umwelt und Technik hat beschlossen, dass die Planungshinweiskarte als Grundlage für alle künftigen klimaökologischen Stellungnahmen und planerischen Prozesse verwendet wird.

Bioklimatische Situation der bebauten Stadtflächen
In Mannheim haben mit 19,5 Prozent ein knappes Fünftel der bebauten und besiedelten Stadtflächen eine ungünstige bioklimatische Situation. Das bedeutet Hitzestress durch Wärmebelastungen, die Wohlbefinden und Gesundheit beeinträchtigen können. 42,7 Prozent der Stadtfläche weisen eine mittlere, 37,8 Prozent, mehr als ein Drittel, eine günstige bis sehr günstige bioklimatische Situation auf.

Grafik mit Überblick über die bioklimatische Situation der bebauten Flächen in Mannheim

Überblick über die bioklimatische Situation der bebauten Flächen in Mannheim. [Kreisdiagramm: KontextKommunikation]

Planungshinweiskarte

Mannheims Stadtklima im Sommer 2024
Es wird in Zukunft wärmer, die bioklimatische Situation ist belasteter. Weil das Klima träge ist, wird es von den bisher verursachten Folgen des Klimawandels bis ins Jahr 2050 beeinflusst. Die klimatische Situation und die Anforderungen an klimagerechte Stadtplanung zeigt die Planungshinweiskarte, erläutert am Beispiel von 8 ausgewählten städtischen Gebieten:

  1. Wald-, Grün- und Freiflächen produzieren Frisch- und Kaltluft.
  2. Durch Grünzüge strömt Frisch- und Kaltluft in die angrenzenden Stadtviertel.
  3. Grünzüge transportieren Frisch- und Kaltluft.
  4. Innerstädtische Wärmeinsel heizt sich auf.
  5. Große Parkanlagen sind kühle innerstädtische Oasen.
  6. Kleine Parks und Grünflächen transportieren Frisch- und Kaltluft.
  7. Aufgelockerte Siedlungsränder ermöglichen das Einströmen von Frisch- und Kaltluft.
  8. Durch aufgelockerte Bauweise und Durchgrünung entsteht Frisch- und Kaltluft.
Planungshinweiskarte mit Überblick über die bioklimatische Situation der bebauten Flächen in Mannheim

Überblick über die bioklimatische Situation der bebauten Flächen in Mannheim. [Planungshinweiskarte: Stadt Mannheim, Fachbereich für Geoinformation und Stadtplanung]

Mannheim, 22. Juli 2024 um 13 Uhr, 32 °C

Ein heißer Sommertag in Mannheim – und die Temperaturen werden in den nächsten Tagen noch weiter steigen. Bei dieser Witterung sorgen die großen Grüngürtel, Wald- und Freiflächen im Norden und Nordosten der Stadt für Abkühlung in den Stadtteilen; sie produzieren selbst Kaltluft. 1 Von Ballauf-Wilhelmswörth, der Viernheimer Heide und dem Sandhofer und Käfertaler Wald aus strömen Frisch- und Kaltluft nach Käfertal und Sandhofen.

Legende: Die zusammenhängenden Grünflächen in den Randbereichen der Stadt sind als Kaltluftentstehungsgebiet [] wichtig für die Lufthygiene Mannheims. Sie sorgen dafür, dass die Stadtteile mit Frischluft versorgt werden.

Mannheim, 22. Juli 2024 um 15 Uhr, 31,5 °C

Mit dem grünen „U“ um die Mitte des neu entstehenden Stadtteils Franklin werden Parkflächen in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung – die Franklin Green Fields – entwickelt. Durch diese Grünzüge strömt Frisch- und Kaltluft direkt nach Franklin und in das angrenzende Stadtviertel Käfertal. 2

Legende: Die zusammenhängenden Grünzüge, die direkt in die Stadtviertel hineinreichen, sind wichtige Kaltluftleitbahnen [] in Mannheim.

Mannheim, 22. Juli 2024 um 17 Uhr, 30,5 °C 

Von den Vogelstangseen in die Stadt hinein und vom Luisenpark über den Neckar hinweg fließen Frisch- und Kaltluft in die umliegenden Stadtteile. Das Mikroklima und die Luftzufuhr in der Neckarstadt West und Ost, in Käfertal, Vogelstang, Wallstadt und Feudenheim profitieren nachhaltig davon. Durch die BUGA 23 wurde der Grünzug Nordost deutlich vergrößert – dadurch kann dort mehr Kalt- und Frischluft entstehen und die Luftzufuhr in die umliegenden Quartiere wird verbessert. 3 Die asphaltierten Flächen und Kasernen sind zum großen Teil dem offenen Freiland mit Bäumen und Sträuchern gewichen.

Legende: Die Grünzüge, die von den Randbereichen in die Stadt hineinwirken, sind wichtige Kaltluftentstehungsgebiete [] und Ventilationsbahnen [], durch die Luft in die Stadt hineinströmen kann.

Mannheim am 22. Juli 2024 um 22 Uhr, 26 °C

In Mannheims Zentrum – Tattersall/Kaiserring, Kurpfalzstraße Marktplatz/Rathaus, Luisenring – staut sich die Wärme noch am späten Abend. Nach Tageswerten über 30 °C kühlt es in der innerstädtischen Wärmeinsel kaum ab: Die versiegelten Flächen und Gebäude aus den Materialien Asphalt, Metall, Glas und Beton speichern die Hitze des Tages und geben sie nachts – wie Heizungen – verzögert wieder ab. 4 Erholsamer Schlaf ist in diesen Tropennächten schwer zu finden, die Luft ist heiß und stickig. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn in der Innenstadt wegen des Lärms die Fenster geschlossen bleiben müssen.

Legende: Das Dreieck-Symbol [] zeigt an: Die bioklimatische Belastungsstufe erhöht sich im Zeitraum bis 2050. Im Laufe der nächsten 30 Jahre wird es in Mannheim wärmer und die bioklimatische Belastung für die Menschen größer werden. Das betrifft nicht nur die Innenstadt, sondern 90 Prozent aller bebauten Stadtflächen.

Mannheim am 23. Juli 2024 um 10 Uhr, 28 °C

Angenehm kühl und schattig ist es an diesem heißen Hochsommernachmorgen im Luisenpark und auch im Herzogenriedpark, Mannheims großen Stadtparks. 5 Durch die großzügig angelegten Baumalleen weht ein kühlender Wind, über den großen Rasenflächen entsteht Kaltluft. Durch seine Lage in einer etwas vertieften Mulde bleibt die kühlende Wirkung der Parkflächen im Luisenpark meist auf 100 bis 300 Meter begrenzt. An den Parkrändern und in den umliegenden Stadtgebieten ist es deshalb häufig etwa 3 bis 4 °C wärmer. Bei nördlicher bis östlicher Windrichtung erreicht Frisch- und Kaltluft den Friedrichsring und die Oststadt.

Legende: Die großen Freiflächen im Park sind Kaltluftentstehungsgebiete []. Über Flurwinde [] werden die umliegenden Gebäude und Straßenzüge versorgt.

Mannheim am 23. Juli 2024 um 14 Uhr, 33 °C

Die Wasserturmanlage am Friedrichsplatz oder die Lauergärten im M-Quadrat der Lameygarten im R-Quadrat: Kleine Parks und Grünflächen in Mannheims Quartieren versorgen die umliegenden Häuser mit Frisch- und Kaltluft und dienen als kühlende Oasen in der morgendlichen Stadthitze. 6

Mannheim am 23. Juli 2024 um 19 Uhr, 27 °C

Der Stadtrand ist locker bebaut und bietet viel Grün mit Gärten, mit Wiesen und Feldern. Hier entstehen Flurwinde, die als Frisch- und Kaltluft in die Wohnquartiere strömen. 7 Um diesen elementar wichtigen Luftaustausch weiter zu ermöglichen, müssen Nachverdichtungsmaßnahmen sorgfältig abgewogen werden.

Legende: Durch die Lücken in der Bebauung an den Siedlungsrändern Mannheims entstehen Flurwinde [] Hier entsteht Kaltluft direkt im Siedlungsraum. []

Mannheim am 23. Juli 2024 um 23 Uhr, 20 °C

In Stadtgebieten mit Einfamilienhäusern mit Spielplätzen, kleinen Parks und Gärten entsteht durch die aufgelockerte Bebauung mit vielen Grün- und Freiflächen Kaltluft. 8 Im Lindenhof und in Neckarau sinken die Temperaturen durch den Luftaustausch in der ersten Nachthälfte auf Werte um 20 °C.

Legende: Die Stadtteile mit Einfamilienhäusern und vielen Grünflächen sind Gebiete, in denen Kaltluft im Siedlungsraum entsteht [].

Unbebaute Frei- und Grünflächen sind für ein gutes Bioklima und den Luftaustausch in der Stadt unverzichtbar.

Rheinufer Mannheim mit Blick auf Ludwigshafen. Foto: Wirtschaftsförderung der Stadt Mannheim / Ben van Skyhawk

Ausgleichs- und Wirkungsräume

Klimatische Bewertung von Siedlungs- und Verkehrsflächen: Wirkungsräume in Mannheim
Siedlungs- und Verkehrsflächen sind die bebauten und zum Großteil versiegelten Gebiete der Stadt, in denen Menschen wohnen, leben und arbeiten. Sie werden als Wirkungsräume bezeichnet, weil hier die stärksten klimabedingten Belastungen auftreten.

Die bioklimatische Belastung bewertet die Planungshinweiskarte je nach Wärmeintensität: von niedrig bis sehr hoch, abgestuft in einer insgesamt 5-stufigen Bewertungsskala. Weil die nächtliche Durchlüftung in dicht besiedelten Wohngebieten sehr wichtig ist, wurde den Flächen, die sehr schlecht mit Kaltluft versorgt werden, eine Extra-Belastungsstufe 5 zugeordnet. So wird berücksichtigt, dass diese Gebiete besonders anfällig für die steigende Wärmebelastung sind, die der Klimawandel auslöst.

Bewertungsmatrix des bewohnten Siedlungsraums

Um die Wirkungsräume in der Planungshinweiskarte darzustellen, fließen die Tag- und die Nachtsituation in die Bewertung ein: Beim bewohnten Siedlungsraum die Nacht, weil der Schlafkomfort im Mittelpunkt steht. [Tabelle: Stadtklimaanalyse Mannheim 2020, S. 90]

Klimatische Bewertung von Grün- und Freiflächen:
Ausgleichsräume in Mannheim
Unbebaute und gering versiegelte Grünflächen sind für ein gutes Stadt-Bioklima sehr wichtig. Weil hier Kaltluft entsteht, sind sie als Ausgleichsräume für den Luftaustausch und die Frischluftproduktion unverzichtbar. Je wichtiger ihre klimatische Funktion für den bewohnten Siedlungsraum, desto höher ist ihr Schutzbedarf, der in Stufen von 1 (hoher Schutzbedarf) bis 4 (geringer Schutzbedarf) unterteilt ist.

Ausgleichsräume sind den Wirkungsräumen räumlich-funktional zugeordnet. Die Planungshinweiskarte zeigt, wie klimaökologisch und planerisch relevant eine Grünfläche ist: Befindet sie sich z. B. im nahen Umfeld, d. h. bis 100 Meter Entfernung an einer bewohnten Siedlungsfläche mit einer hohen Wärmebelastung, hat die Fläche mindestens den Schutzbedarf 3.  Hält sich die Wärmebelastung des bewohnten Bereichs etwa durch kleinere Baumgruppen oder Gewässer einigermaßen in Grenzen, erhalten diese – meist innerstädtischen – Grünflächen den höchsten Schutzbedarf 1. Wird hier gebaut, ändert sich die ausgleichende Wirkung möglicherweise. Dann muss neu bewertet werden.

Bewertungsmatrix der Grün- und Freiflächen

Ausgleichsräume sind für die Frischluftproduktion und den Luftaustausch unverzichtbar und werden deshalb geschützt. Die Abbildung zeigt, welche Kriterien angelegt werden, um den Schutzbedarf zu ermitteln. [Tabelle: Stadtklimaanalyse Mannheim 2020, S. 91.]

Ausgleichs- und Wirkungsräume: insgesamt 138 Steckbriefe

Wie ist das Bioklima in meinem Wohngebiet, an dem Ort meiner Arbeitsstelle in Mannheim oder bei meiner Familie und Freunden bewertet?

Die Liste umfasst die insgesamt 138 Steckbriefe der 63 Ausgleichsräume und 76 Wirkungsräume in Mannheim.

Ausgleichsraum A26 Luisenpark

Der Steckbrief zeigt den Ausgleichsraum Luisenpark. Ausgleichsräume sind grüngeprägte, größtenteils unbebaute Freiflächen. Hier kann sich kühle und frischere Luft bilden und in den Wirkungsraum strömen, um dort die bioklimatischen Belastungen zu verringern. [Steckbrief: Stadtklimaanalyse Mannheim 2020, S. 162]

Jeder Steckbrief zeigt das Bioklima – genau genommen „Humanbioklima“ – des Betrachtungsraums. Beinhaltet sind ein Ausschnitt aus der Planungs­hinweiskarte sowie ein Hinweis zur Lage, zur Nutzungsstruktur und bioklimatischen Situation sowie Maßnahmenempfehlungen für relevante Beispielflächen. Dabei wird zwischen 3 verschiedene Flächenarten unterschieden: Grün- und Freiflächen, Siedlungsflächen, Verkehrswege und Plätze.

Wirkraum W37 Oststadt

Der Steckbrief zeigt den Wirkungsraum Mannheimer Oststadt. Wirkungsräume sind Siedlungs-, Verkehrs-, Gewerbe- und Industrieflächen, in denen bioklimatische Belastungen auftreten. [Steckbrief: Stadtklimaanalyse Mannheim 2020, S. 295]

Wichtiges Ergebnis der Stadtklimaanalyse Mannheim 2020 sind konkrete Hinweise für klimaökologische Maßnahmen und für zukünftige Planungen.

Karl-Ludwig Denkmal Schloss Mannheim,
Foto: Stefanie Eichler/Universität Mannheim

Maßnahmenempfehlungen

Möglichkeiten der klimatischen Verbesserung und Planungshinweise
Die Planungshinweiskarte zeigt Bereiche in der Stadt auf, in denen die klimatische Situation verbessert werden kann. Daraus leiten sich Maßnahmenempfehlungen ab. Für Mannheim wurden insgesamt 20 klimaökologisch wirksame Einzelmaßnahmen identifiziert, die in 3 Cluster aufgeteilt sind:

Die Maßnahmen geben konkrete Planungshinweise. Ihr Sinn und Zweck ist es, klimatisch günstige Stadtstrukturen zu erhalten und bioklimatische Belastungen zu reduzieren.

Der detaillierte Maßnahmenkatalog der Stadtklimaanalyse 2020 zeigt und erläutert die Maßnahmen im Einzelnen.

Mehr Grün, mehr Schatten, klimaangepasstes Bauen:
Maßnahmen und ihre Wirkungen
Soweit möglich soll der Grünanteil im Stadtgebiet erhöht und versiegelte Flächen verringert werden – ein Ziel, das z. B. die Maßnahme „Innen-/Hinterhof-Begrünung“ aufgreift.

Grünflächen mit Bäumen und Sträuchern wirken durch ihre Verdunstung positiv auf das Umgebungsklima und spenden Schatten. Sie kühlen nachts schneller ab als versiegelte Flächen und wirken als Kaltluftentstehungs­gebiete auf ihr Umfeld. Bäume filtern Luftschadstoffe und verbessern die Luftqualität.

Maßnahmen zur Verschattung verringern die thermische Belastung am Tage, die durch direkte Sonneneinstrahlung entsteht. Beschattete Straßen, Fuß- und Radwege oder Parkplätze speichern weniger Wärme als versiegelte Freiflächen mit wenig Schatten. Diesen Effekten trägt etwa die Maßnahme „Verschattung von Aufenthaltsbereichen im Freien“ Rechnung.

Klimaangepasstes Bauen: Beim Neubau bietet sich die Chance, die Gebäudeausrichtung zu optimieren, vor allem die Sonnen- und Windexposition. So lässt sich in sensiblen Räumen, wie etwa Schlaf- und Arbeitszimmern, die sommerliche Hitze minimieren.

Natürliche Baumaterialien wie Holz haben einen geringeren Wärmeumsatz und geben nachts weniger Energie an die Umgebungsluft ab als Stahl oder Glas.

Dach- und Fassadenbegrünung oder Verschattungselemente sind bautechnische Maßnahmen, die das Innenraum- und das Umgebungsklima deutlich verbessern. Bei Nachverdichtung im Stadtgebiet bedeutet klimaangepasstes Bauen insbesondere eine gute Durchlüftung. Im Sinne der doppelten Innenentwicklung werden Flächenreserven im Siedlungsraum baulich und gleichzeitig mit Blick auf urbanes Grün entwickelt.

Fassadenbegrünung am Haus in O7 in der Mannheimer Innenstadt

Pflanzen, die Hauswände hochklettern und kleine grüne Inseln mitten in der Innenstadt, wie der vertikale Garten am Haus in O7: Dach- und Fassadenbegrünungen verbessern das Umgebungsklima deutlich. [Foto: Stadt Mannheim]