Stadtklimaanalyse 2020

Wie entsteht eine Stadtklima­analyse?

Die Stadtklimaanalyse 2020 ist eine modellgestützte Klimaanalyse für das gesamte Stadtgebiet Mannheims und basiert auf einer zweigeteilten Methode: Zum einen werden in einer Messkampagne an temporären Messstationen Daten erhoben und Lufttemperatur-Messfahrten durchgeführt. Die daraus gewonnenen Isothermenkarten zeigen die Temperaturverteilung für die gesamte Stadtfläche. Zum anderen wurden die aktuelle stadtklimatische Situation und ihre Prognose für das Jahr 2050 erstmals mit einer computergestützten Klimamodellierung berechnet. Die Messungen und das Klimamodell legen beide als Wetterlage den Sommer in Mannheim zugrunde. Ergebnis dieser Berechnungen sind die Klimaanalysekarten, aus denen die Planungshinweiskarte entwickelt wird.

Messkampagne

4 Messstationen im Zeitraum von 4 Monaten
Vom 22. Mai bis zum 22. September 2019 wurden im Stadtgebiet von Mannheim Lufttemperatur, Windrichtung und Windgeschwindigkeit gemessen. Die Messergebnisse sind wichtige Referenzen für die modellbasierte Stadtklimaanalyse 2020. Sie wurden kontinuierlich an 4 temporären Klimamessstationen erhoben:

Standorte Lagesituation
1. Xaver-Fuhr-Straße Maimarkt / Mühlfeld Freiland – Ackerflächen Grünzug Südost
2. Waldwegstadion Mannheim-Neckarau Ortsrand – Sportanlagen Südwest
3. Mannheim-Innen­stadt gegenüber Reiss-Engelhorn-Museen Stadtzentrum, inner­städtischer Platz mit dichter Blockrand­bebauung
4. Blumenauer Weg Mannheim-Sandhofen zwischen Scharhof und Kirsch­gartshausen Freiland – Ackerflächen Grünzug Nord (nördlich der A6)

Zusätzlich wurden Daten an der DWD Wetterstation Mannheim-Vogelstang, an der LUBW-Luftmessstation Mannheim Nord und an der Klimamessstation am Großkraftwerk Mannheim im Stadtteil Rheinau ermittelt.

4 Messfahrzeuge in einer Nacht:
Messfahrten entlang festgelegter Routen
Bei Messfahrten vom Abend des 22. Juli 2019 bis in die frühen Morgenstunden des 23. Juli 2019 wurden die Lufttemperaturen im Stadtgebiet Mannheims erfasst. Dazu waren 4 Messfahrzeuge entlang ausgewählter Routen unterwegs. Entscheidend für die Wahl des Termins der Messfahrten war die autochthone Wetterlage, d. h. geringe Bewölkung, schwache Windströmung und ungehinderte Ein- und Ausstrahlungs­bedingungen. Die Daten, die an den Messstationen und während der Messfahrten ermittelt wurden, fließen in die Isothermenkarten ein.

Die Isothermenkarten:
Mannheims Temperaturbilder seit 1975
Die Lufttemperaturen im gesamten Stadtgebiet an einem Sommertag bilden die Isothermenkarten ab. Seit mehr als 40 Jahren werden klimaökologische Daten in Mannheim bei sommerlicher Wetterlage ermittelt: Seit der ersten Isothermenkarte von 1975 entstanden in den darauffolgenden Jahrzehnten hunderte weiterer Datensätze und Gutachten zum Stadtklima.

Darstellung der Isothermenkarte. Einmal wurde um 23 Uhr gemessen. Einmal um 5 Uhr.

Isothermenkarte vom 22. Juli 2019, 23 Uhr und vom 23. Juli 2019, 5 Uhr [Karten: Stadtklimaanalyse Mannheim 2020, S. 77 und S. 80]

In Mannheims Innenstadt, der südlichen Schwetzingerstadt und der Neckarstadt West sowie in den versiegelten Gewerbeflächen ist die nächtliche Überwärmung besonders stark. Am höchsten ist die Hitzebelastung in der innerstädtischen Hitzeinsel in den Quadraten.

Computergestützte Klimaberechnungen ermöglichen Aussagen über den lokalen Klimakomfort und die Wohnqualität für die Mannheimer Bevölkerung.

Kinder beim digitalen Lernen in der Stadtbibliothek Mannheim,
Foto: iStock.de/Stadt Mannheim Fachbereich Bildung

Klimamodellierung

Stadtklimamodell FITNAH 3D
Die Grundidee der Klimamodellierung ist einfach. Wenn man den Ausgangszustand der Atmosphäre – der Lufthülle der Erde – kennt und die physikalischen Prozesse, die in der Atmosphäre ablaufen und das Wetter und Klima bestimmen, dann kann man die zukünftige Entwicklung berechnen.

Für die Stadtklimaanalyse Mannheim 2020 kam das Stadtklimamodell FITNAH 3D zum Einsatz. Mit FITNAH 3D können auch Veränderungen der klimatischen Verhältnisse prognostiziert werden. Wie ändert sich die Belüftungssituation durch eine Bebauung der Flächen, wenn einströmende Luft umgelenkt oder kanalisiert wird? Wind- bzw. Strömungsverhältnisse, Temperatur- und Feuchtehaushalt sind wichtige Kriterien, um mikroklimatische Veränderungen zu beurteilen.

Pyramide der Klimamodellierung

Grafik mit Pyramide der Klimamodellierung

Die Pyramide der Klimamodellierung zeigt, wie mit dem Stadtklimamodell FITNAH 3D in einem dreistufigen Verfahren die Planungshinweiskarte erstellt wird: Sie ist die Plangrundlage, die sowohl das gegenwärtige wie das künftige Klimageschehen Mannheims abbildet. [Grafik: Kontext­Kommu­nikation, basierend auf der PHK-Pyramide, GEO-NET Umwelt­consulting]

Analyse, Visualisierung, Wertung: Klimamodellierung in 3 Stufen
In einem ersten Schritt wird der FITNAH 3D Supercomputer mit Basisdaten gespeist: Hierzu gehören digitale Oberflächen-, Vegetations- sowie Geländemodelle der Stadt und des Umlandes, das 3D-Stadtmodell, Daten zu versiegelten Flächen und Grünflächen sowie die Bebauungspläne für die zukünftige Stadtentwicklung.

Daraus errechnet der Computer das bodennahe Temperatur- und Windfeld, Kaltluftvolumenstrom und -produktionsrate und die gefühlte Temperatur. Die Klimaanalysekarten zeigen die klimatische Ist- und Zukunftssituation jeweils für den Tag und die Nacht. Die Berechnungen ermöglichen Aussagen über den aktuellen und zukünftigen lokalen Klimakomfort und die Wohnqualität für die Mannheimer Bevölkerung.

Gegenüberstellung der Modellergebnisse:
Ist-Situation – Zukunftsszenario 2050
Die Klimaanalysekarten stellen 4 Situationen dar: Erstens die Ergebnisse der Modellierung in der Tag- und zweitens in der Nachtsituation, drittens die Ergebnisse der Modellierung heute und viertens die des Zukunftsszenarios 2050. Der Wärmeinseleffekt kommt besonders nachts zum Tragen: Die Gebäude geben die tagsüber gespeicherte Wärme verzögert ab. Somit sind die Klimaanalysekarten der Nachtsituation besonders relevant.

Die Klimaanalysekarten 2020 und 2050 fließen in die Planungshinweiskarte ein. Während die Klimaanalysekarte nur entweder Tag oder Nacht abbildet, werden bei der Planungshinweiskarte die Nacht- und die Tagsituation verknüpft. Ihre Abbildung kombiniert auch das Ist- und das Zukunftsszenario. Die Planungshinweiskarte ist das Gesamtergebnis der Klimamodellierung. Sie ist die Grundlage für Mannheims klimagerechte Stadtplanung.

Im Vergleich: Ausschnitte aus den Klimaanalysekarten Mannheims 2020 und 2050

Darstellung über nächtliche Lufttemperatur im Ist-Zustand

Ist-Zustand: Nachts ist die Mannheimer Innenstadt besonders überwärmt: 8,5 °C Temperatur-Unterschied zeigen die Ergebnisse der Messfahrten im Vergleich mit dem weitgehend unbebauten Umland. Der städtische Wärmeinseleffekt kommt besonders in Sommernächten zum Tragen. [Ausschnitt Klimaanalysekarte, Stadtklimaanalyse Mannheim 2020, S. 35]

Darstellung über nächtliche Lufttemperatur im Zukunftsszenario 2050

Klimaprognose 2050: Infolge des Klimawandels ist in Mannheim von einer Temperaturzunahme von rund 2 °C und vermehrten Hitzeperioden aus­zugehen. Die steigenden Temperaturen sind besonders im kernstädtisch geprägten Bereich relevant: Hier ist die Belastung durch den Wärme­insel­effekt bereits heute deutlich höher. [Ausschnitt Klimaanalysekarte, Stadt­klimaanalyse Mannheim 2020, S. 38]

In der nahen Zukunft bis 2050 wird es bis zu
2 °C wärmer und die Sommer werden zunehmend trockener.

Vor dem Mannheimer Hauptbahnhof
Foto: istockphoto.com / 490241086

Sommer in Mannheim

Vergleichbare meteorologische Rahmenbedingungen
4 Messstationen messen Mannheims Klima über 4 Sommermonate, 4 Messfahrzeuge messen in einer Sommernacht vom 22. Juli auf den 23. Juli 2019.

Zusätzlich zu den ermittelten Messergebnissen wird für die Klimamodellierung die Situation des 21. Juni zum Sonnenhöchststand unter Laborbedingungen angenommen. Somit sind die meteorologischen Rahmenbedingungen – sommerliche Wetterlage – vergleichbar. Mit Hilfe des computergestützten FITNAH 3D-Modells kann die klimatische Entwicklung in der Zukunft abgeleitet und errechnet werden.

Warum werden Klimaanalysen bevorzugt in den Sommermonaten ermittelt? An einem autochthonen Sommertag mit wolkenlosem Himmel und schwachem Wind prägen sich die lokalklimatischen Besonderheiten einer Stadt bzw. einer ganzen Region besonders gut aus. Charakteristisch für diese (Hochdruck-)Wetterlage sind Flurwinde, also Ausgleichsströmungen, die durch den Temperaturunterschied zwischen kühleren Freiflächen und wärmeren Siedlungsräumen angetrieben werden. Die hohe Einstrahlung und der geringe Luftaustausch führen zu sehr hohen bioklimatischen Belastungen für die dort lebenden Menschen, auch weil die bebauten Siedlungsflächen nachts deutlich weniger abkühlen. Diese Wetterlage tritt in Mannheim im langjährigen Mittel an rund 65 Tagen auf, am häufigsten im Sommerhalbjahr und besonders im Monat August.

Von 1971 bis 2018:
Mannheims mittlere monatliche Anzahl autochthoner Nächte

Balkengrafik über Mannheims langjährige mittlere monatliche Anzahl an autochthonen Nächten

Die Daten wurden an der Station Mannheim-Vogelstang und damit am Stadtrand ermittelt. Es ist davon auszugehen, dass diese lokale Wetterlage im dicht besiedelten Innenstadtbereich deutlich häufiger auftritt. [Grafik: Stadtklimaanalyse 2020, S. 5]

Sommer, Sonne, Trockenheit:
bewässerte Grünflächen bringen am meisten Kühlung
Neben dem Anstieg der Temperatur muss mit zunehmend trockeneren Sommern gerechnet werden. Für das Zukunftsszenario 2050 wird daher die Bodenfeuchte in Mannheim herabgesetzt. Ausgenommen sind die innerstädtischen Parkflächen, die ein Bewässerungskonzept haben. Der Faktor Verdunstung ist für eine entlastende Abkühlung in der Stadt wichtig, insbesondere am Tag, wenn die Sonne das Wasser verdunsten lässt. Das zeigt die Planungshinweiskarte deutlich – an den Beispielen von Lauer- oder Lameygarten, Friedrichsplatz oder den großen Stadtparks Luisen- und Herzogenriedpark.

Blick auf Friedrichsplatz mit Wasserturm

Entlastende Abkühlung in der Stadt: Blick auf die bewässerten Beete und Rasenflächen am Friedrichsplatz. [Foto: Stadtmarketing Mannheim, Fotograf Achim Mende]

Wasser aufnehmen, speichern, nach Bedarf abgeben: Schwammstädte
Niederschlag kann aufgrund des hohen Versiegelungsgrades in Städten nicht überall versickern und wird oftmals direkt in die Kanalisation geleitet. Die entlastende Kühle durch Verdunstung fehlt in den überhitzten Innenstädten. Zudem kommt es bei Extremwetterereignissen wie Starkregen schnell zu Überflutungen. Das Konzept der Schwammstadt wird auch in Mannheim – vermehrt in Planungen und Neubauten – aufgegriffen: Mit der Begrünungssatzung existiert ein Werkzeug, das verpflichtend Fassaden- und Dachbegrünungen für die Innenstadt und deren angrenzende Bereiche vorsieht. Begrünte Dächer und Fassaden sowie unterirdische Drainage-, Speicher- und Versickerungselemente um Baumwurzeln halten das Regenwasser in der Stadt zurück und speichern es: Beim Verdunsten kühlt es das Stadtklima ab. Gleichzeitig dienen diese Maßnahmen als wichtiger Puffer bei Starkregen und Überschwemmungen.